Wenn man am Sonntagmittag um Punkt 12 Uhr die Augen geschlossen hätte, dann hätte man an eine Zeitreise glauben können – war es etwa schon spät am Abend und KING DIAMOND auf der Bühne? Nein, nicht ganz, es waren „nur“ die Opener des dritten Rock Hard Festival-Tages ATTIC. Die Gelsenkirchener sind aber weder MERCYFUL FATE-Coverband noch ein KING DIAMOND-Plagiat, sondern durchaus eigenständig. Natürlich erinnern Falsettgesang und Schminke an Kim Bendix Petersen, auch die Musik bewegt sich in ähnlichen Gefilden. Die bereits zahlreich versammelten Fans im Gelsenkirchener Amphitheater sahen es wohl als Aufwärmrunde für den Headliner und hatten entsprechend Spaß.
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Danach zogen die Australier GOSPEL OF THE HORNS den Härtegrad deutlich an. Brutaler Black Thrash from Down Under, serviert mit der groben Kelle und garniert mit fiesen Vocals rüttelte die teils noch etwas verschlafenen Metaller in der Arena so langsam wach. Sonderlich spektakulär war der Auftritt der Aussies nicht, wirkte dafür aber wie aus einem Guss. Der krasse Stilwechsel zum melodischen Power Metal aus deutschen Landen verlief dann überraschend reibungslos. Bei schönstem Sonnenschein legten ORDEN OGAN gewohnt gut gelaunt los und servierten dem Publikum eine Power-Granate nach der anderen. Ich hatte ORDEN OGAN letztes Jahr auf der Club-Tour mit RHAPSODY gesehen und fand ihren Festival-Auftritt deutlich stärker. Die Jungs und ihre Songs passen gut auf eine große Bühne. Nur die Animierspielchen mit dem Publikum zündeten nicht so recht – es gibt schon einen Grund, warum die meisten Bands sich auf simple Phrasen wie „Hey, hey, hey“ oder simples Drei-Ton-Nachgröhlen verlassen. ORDEN OGAN versuchten eher komplexere Satzgebilde, was in deutlich sichtbaren Fragezeichen über den Köpfen des Publikums endete. Aber halb so schlimm, der Auftritt war dennoch gelungen.
Vor dem Auftritt von ORCHID bat Rock Hard-Chefredakteur Götz Kühnemund die Fans, die Band besonders wohlwollend zu empfangen, da sie vor ihrem Auftritt vor einem echten Metal-Publikum nervös seien. Die Truppe aus San Francisco spielt ja keinen knallharten Metal, sondern waschechten Retro-Sound, der an BLACK SABBATH in den 1970er-Jahren erinnert. Auch ORCHID sind keine Coverband oder Kopie, sondern leben den Stil einer längst vergangenen Zeit aus und setzen diesen musikalisch versiert um. Auch ohne Götz‘ Ansage hätte die Meute vor der Bühne die Band abgefeiert, denn ORCHID sind mitreißend gut. Ohne großes Stageacting oder besonders witzige Ansagen schafften sie es nur durch ihren Sound und ihre Songs, die Stimmung in ungeahnte Höhen zu schrauben. Die heiße Sonne mag durchaus geholfen haben, alles passte perfekt zusammen.
Die Älteren werden sich vielleicht noch an TANK erinnern, die zu Zeiten der New Wave of British Heavy Metal durch die Clubs bolzten und sich mit ihrem ungehobelten Sound von den eher filigranen Kollegen wie IRON MAIDEN oder SAMSON absetzten. Nach Auflösung, Reunion, Neubesetzung und zwei neuen Alben sind TANK nun wieder aktiv und wollten beim Rock Hard Festival 2013 an alte Erfolge anknüpfen. Anstatt ihres regulären Sängers Doogie White war als Gast ZP Theart (Ex-DRAGONFORCE) am Mikro unterwegs, dessen Stimme eigentlich ganz gut zu den TANK-Songs passte. Außerdem präsentierte er sich als echte Rampensau und versuchte alles, um die Fans mitzureißen. An ihm lag es also nicht, dass die Stimmung nicht wirklich überkochte. Die Ursache war vielmehr, dass TANK die räudige, rotzige Art von früher durch eher normalen, bodenständigen Heavy Metal ersetzten. Der Wiedererkennungswert war also eher gering. Sehr schade. Schlecht war der Auftritt nicht, aber die Erwartungen waren höher.
Ganz anders lief der Gig von THRESHOLD, die es problemlos schafften, ihren Prog-Metal erfolgreich unters Volk zu bringen. Das lag sicher an der gelungenen Songauswahl, aber vor allem an der Spielfreude und Leichtigkeit, mit der die Engländer auch anspruchsvollste Passagen bewältigten. Während bei anderen Bands längere Instrumental-Parts schnell öde werden können, stieg bei THRESHOLD die Stimmung noch: Sänger Damien Wilson nutzte die Zeit für eine schnelle Runde durchs Amphitheater, um den Fans persönlich Hallo zu sagen. Die wiederrum honorierten die Leistung der Jungs mit entsprechend viel Applaus. Voller Erfolg also.
Von SEPULTURA habe ich im Vorfeld wenig Aufregendes erwartet. Die Band war gerade auf Clubtour und rutschte als „Very Special Guest“ ins Lineup des Rock Hard Festivals, die Zeiten ihrer besten Songs liegen schon etliche Jahre zurück. Doch wie schön, dass es noch positive Überraschungen gibt: Als zu Beginn nur Bassist Paulo Jr. und Drummer Eloy Casagrande loslegten und dann Gitarrero Andreas Kisser dazu stieß, was sofort klar, wie die Marschrichtung aussieht: Gepflegte Brutalität, und das musikalisch so perfekt auf einander eingespielt, dass man sich der Wirkung der Musik nicht entziehen konnte. „Tight as fuck“ präsentierten sich die drei Herren, angetrieben von einem so dermaßen derb auf seine Kessel einprügelnden Eloy, dass man sich sowohl um seine Gesundheit als auch um die Stabilität der Felle Sorgen machte. Mit dem „Arise“-Intro ging es also packend los, dann ballerten die Brasilianer mit dem inzwischen ebenfalls auf die Bühne gekommenen Derrick Green „Troops of Doom“ hinterher. Hammer! So wütend, kraftvoll und präzise hatten SEPULTURA keine Probleme, die Fans sofort zu packen und zu begeistern. Mit überwiegend alten Sahnestückchen („Territory“, „Refuse/Resist“ oder „Biotech is Godzilla“) prügelten sich SEPULTURA durch ihren Auftritt, der mich schlicht begeistert hat. Auch die Band selbst war sichtlich von den euphorischen Reaktionen des Publikums angetan, das sich auch nur bei den Brasilianern zu Moshpits hinreißen ließ. Und das will etwas heißen.
Ob der Headliner KING DIAMOND das noch toppen konnte? Immerhin dauerte die Umbaupause mit einer Stunde schon mal doppelt so lang wie bei den anderen Bands, denn der dänische Falsett-König hatte eine besonders üppige und aufwändige Bühnendeko mitgebracht: Ein gruseliges Herrenhaus mit zwei Treppen, einer Empore samt beleuchtetem Pentagram – und ein Zaun. Ja, richtig gelesen, ein Zaun. Vorne am Bühnenrand. Fehlte nur noch das „Nicht füttern“-Schild. Trotz des ungewöhnlichen Gitters gab es aber keine Bananen oder Erdnüsse für KING DIAMOND, sondern viel Applaus und ein bisschen Gänsehaut. Was nicht an der inzwischen untergegangenen Sonne lag, oder am während der Umbaupause orgelnden MAMBO KURT – sondern am Intro, das aus „The Candle“ vom Debütalbum „Fatal Portait“ stammt. Dazu Nebel, geschickt inszenierte Beleuchtung – und schließlich der King und seiner Mitmusikanten. Der Auftritt sowie die ganze Show von KING DIAMOND waren bestens durchchoreographiert und perfekt inszeniert. Mit Showeinlagen (Voodoo-Tänzerin oder Grandma bei „Welcome Home“), einer erstklassigen Songauswahl inklusive zweiter MERCYFUL FATE-Songs (der alten Band des King), einem unterhaltsamen Schlagzeugsolo und drei tollen Zugaben („The Family Ghost“, „Halloween“ und „Black Horsemen“) wurde KING DIAMOND dem Status als Headliner des dritten Festival-Tages absolut gerecht – obwohl er nicht die vollen 90 Minuten spielte, die geplant waren. Auch wenn der eine oder andere über schiefe Töne des Altmeisters lästerte: Mir sind diese nicht negativ aufgefallen. Perfekte Show eben. Auch wenn das Fotografieren dank des Gitters nervig war.